Amtsblatt der Stadt Bonn, 3. März 1958, 29. Jahrgang, Nummer 9:
„Der Rat beschließt: Die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II erhält unter Aufhebung des Beschlusses … „
Niederschrift über die 16. Sitzung des Rates der Stadt Bonn am Donnerstag, dem 16. Januar 1958, um 15:30 Uhr, im Sitzungssaal des Stadthauses, Bottlerplatz. (Auszug)
13. Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 9. Januar 1958:
»Der Rat wolle beschließen:
Die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II erhält den Namen „Friedrich Ebert Schule“.«
Stadtverordneter Dr. Dr. Dietzel-SPD:
»Am 28. September dieses Jahres werden zwei Jahre vergangen sein, seitdem die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II eingeweiht worden ist. Wenn wir heute nicht zu einer Namensgebung für diese Schule kommen, werden drei Jahre verflossen sein, dass wir uns darüber Gedanken gemacht haben.
Erstmalig hat am 27. Februar 1955 Herr Dr. Streck an erster Stelle vorgeschlagen, diese Schule nach August Wilhelm Schlegel zu benennen. Stichwortartig seine Begründung: Shakespeare-Übersetzer, einer der bedeutendsten Philosophen der Bonner Universität, Ratsmitglied. Wie wir alle wissen, hat Herr Dr. Streck sich gegen diese Liebe auf den ersten Blick – möchte ich sagen – nachher gewandt und ist hier im Rat als einer der Streiter gegen August Wilhelm Schlegel aufgetreten, was unseres Erachtens allerdings nichts gegen die Güte seines einstigen Vorschlages beweist.
August Wilhelm Schlegel
1767 – 1845
Der Altphilologe und erste Indologe der jungen Bonner Uni hatte zumindest einen klaren Bezug zur Stadt. Noch heute liegt er auf dem Alten Friedhof.
Er war einer der erstan kanddaten in der langen Namensfindung des FEG.
Wir haben bekanntlich in der Sitzung vom 1. März 1956 hier eine heftige Debatte über die Namensgebung für die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II gehabt, und damals ist mit 21 gegen 19 Stimmen, bei einer Stimmenthaltung, die aus der CDU-Fraktion kam, der Name August Wilhelm Schlegel als Name für die EMA II abgelehnt worden.
Nun hat sich inzwischen folgendes ereignet: Gelegentlich einer Fahrt nach Dortmund hat Herr Oberbürgermeister Dr. Daniels mir erklärt, er wäre persönlich sehr geneigt, diese Schule nach dem ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu benennen, und er hat unabhängig von dieser Mitteilung das auch meinem Fraktionskollegen Limbach gesagt. Wir haben geglaubt, dieser Anregung entsprechen zu sollen und haben am 18. Mai 1957 einen derartigen Antrag gestellt, der in der Schulausschusssitzung vom 20. Mai 1957 behandelt worden ist. Diese Sitzung hat allerdings mit einer Vertagung geendet, und dann ist die Sache nochmals im Jahre 1957 vertagt worden.
Nun, wir haben heute diesen Antrag wiederum gestellt, weil wir glauben, dass damit doch wohl eine Brücke geschlagen werden könnte zwischen den Fraktionen. Dann glauben wir, dass dieser Vorschlag auch der Schule zugemutet werden könnte. Wir haben immer auf dem Standpunkt gestanden hier im Rat, dass ein Name gewählt werden sollte, der Beziehungen zum Bonner Raum habe, und es könnte der Einwand erhoben werden, dass Friedrich Ebert wohl niemals in Bonn gewesen sei und dass daher auch mit seinem Namen keine Beziehung zu Bonn gegeben sei. Da möchte ich doch sagen, dass das, was Herr Oberbürgermeister Dr. Daniels am 20. Mai 1957 in der Sitzung des Schulausschusses gesagt hat, auch unsere Meinung ist: »Seine Beziehung zu Bonn erblicke er darin, dass die Bundesrepublik, deren vorläufige Bundeshauptstadt Bonn sei, als Fortsetzung der von Friedrich Ebert repräsentierten Weimarer Republik angesehen werden könne.«
Ein anderer Einwand, der gemacht werden könnte, besonders von der Schule, ist der, dass Friedrich Ebert nicht das genügende Sinnbild für ein neusprachliches Gymnasium darstelle. Dazu möchte ich folgendes sagen: in der Sitzung, von der ich ihm sprach, wurde auf einen Brief hingewiesen, in dem die Schulpflicht und das Lehrerkollegium der EMA II nicht nur drei berühmte Neuphilologen als Namenspatrone für Ihre Anstalt benannte – nämlich Schlegel, Dietz und Curtius –, sondern auch Macke, der zwar in die Weltkunst eingegangen ist, aber kein Neuphilologe war. Das ist unseres Erachtens der eine Grund, weshalb die Schule einem Namen zustimmen könnte, der nicht der eines Neuphilologen ist.
Hinzu kommt noch folgendes: Wir wissen ja aus den Verhandlungen, dass die EMA II bereit wäre, einem Tausch des Namens zwischen der EMA I und der EMA II zuzustimmen in der Weise, dass etwa die EMA I nach Heinrich Hertz benannt würde und die EMA II den Namen nach Ernst Moritz Arndt erhielte.
Nun, es ist doch so, wenn Ernst Moritz Arndt in die Geschichte eingegangen ist, dann wird ja wohl niemand behaupten, dass er deshalb in die Geschichte eingegangen sei, weil er ein großer Gelehrter gewesen sei, sondern er ist in die deutsche Geschichte eingegangen, weil er eine der großen politischen Gestalten des deutschen Volkes gewesen ist. Und so sind wir der Meinung, dass auch eine so hervorragende politische Gestalt wie Friedrich Ebert der EMA II als Name zumutbar ist. Weiter möchte ich folgendes sagen, was für diese Namensgebung sprechen würde: Friedrich Ebert ist das erste Staatsoberhaupt des deutschen Volkes gewesen, das mit heißem Herzen eine Verständigung mit Frankreich ersehnt hat.
Und dann noch eins: Wenn wir dem Wunsch des Herrn Oberbürgermeisters folgen wollen, eine Schule nach Friedrich Ebert zu benennen, dann scheint es uns – wir haben seinerzeit derartige Dinge im Straßenbenennungsausschuss immer mit einer gewissen Überlegung getan – gut zu sein, wenn die Friedrich-Ebert-Schule auch in der Nähe der Friedrich-Ebert-Allee liegt.
Aus allen diesen Gründen glauben wir, dass der Vorschlag des Herrn Oberbürgermeisters ein geeigneter Vorschlag ist, und wir bitten Sie, heute unserem Antrag zuzustimmen.«
Stadtverordneter Dr. Streck – CDU:
»Wie Sie wissen und Herr Dr. Dietzel auch ausgeführt hat, stammt dieser Vorschlag aus unseren Reihen und hätte demnach auch Aussicht, von uns Stimmen zu bekommen. Meine Fraktion beantragt trotzdem Vertagung, und zwar aus folgenden Gründen, womit ich Ihnen auch einige Dinge beantworte, die zu der Sache gesagt worden sind.
Es scheint geflissentlich der Eindruck verbreitet zu werden, als habe der Rat in dieser Sache noch nicht entschieden. Der Rat hat in dieser Sache endgültig am 1. März 1956 entschieden durch den Beschluss, der im Amtsblatt Nummer 13 Seite 76 veröffentlicht worden ist, und dieser Beschluss heißt: „Die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II wird nach Kurfürst Max Franz benannt.“
Das ist zustande gekommen nach dem bewährten System des demokratischen Abstimmungsverfahrens per Mehrheitsbeschluss. Ich darf vielleicht auch dem Herrn Oberbürgermeister ersparen, Stellung zu nehmen zu einer Behauptung, um die gleich schon richtigzustellen: Der Oberbürgermeister hat den Vorschlag „Ebert“ gemacht in voller Würdigung der politischen Bedeutung des Reichspräsidenten Ebert für die deutsche Geschichte der Nachkriegszeit, aber er hat ihn nicht unbedingt gemacht. Er hat gesagt: Ich stehe zu dem Vorschlag Kurfürst Max Franz, den ich als Fraktionsvorsitzender damals vertreten habe, und nur, falls sich herausstellen sollte, dass in dem Rechtsstreit, der zwischen Deutschem Städtetag und dem Kultusminister auch in dieser Sache schwebt, der Herr Kultusminister wider Erwarten recht hat und ein Einspruchsrecht hat, dann bin ich bereit, nicht nur darüber zu verhandeln, sondern dann schlage ich vor: Friedrich-Ebert-Gymnasium.
Und deshalb unsere weitere Begründung: Ohne Befugnis hat der derzeitige Kultusminister das Recht beansprucht, in diese reine Ermessensfrage der Selbstverwaltung einzugreifen. Da auch anderswo Übergriffe gleicher Art vorliegen – Sie wissen, dass er in Bottrop zum Beispiel den Namen Albertus Magnus genauso verboten hat –, hat der Städtetag grundsätzlich den Schutz der Selbstverwaltungsrechte hierin übernommen und setzt sich darüber mit dem derzeitigen Kultusminister in einem Briefwechsel auseinander, schon seit einem Jahr.
Wir halten es für untunlich und der Sache der Selbstverwaltung schädlich, wenn wir vor Entscheidung über diese Rechtsfragen in eine Diskussion über eine Umbenennung dieser Schule eintreten. – Das hat nichts mit der Würdigung der Person des Reichspräsidenten Ebert zu tun, sondern mit der augenblicklich noch schwebenden Rechtsfrage.«
Stadtverordneter Dr. Zierold-Pritsch – FDP:
»Wenn ich zu dieser Frage spreche, so spreche ich nicht gegen den Vorschlag von der SPD-Fraktion, sondern nur um die leidige Angelegenheit, dass es seit Jahren eine höhere Schule hier in Bonn gibt, die noch immer keinen Namen hat, zu fördern. Ich sehe, dass nach den Äußerungen von meinem Herrn Vorredner, die CDU nicht zustimmen will – (Zuruf Stadtverordneter Dr. Streck – CDU -: „Vertagen!“) – Vertagen, naja, also nicht zustimmen, – vertagen – (Zuruf Stadtverordneter Dr. Streck – CDU: „Das ist ein Unterschied!“) – Ja, natürlich ist es ein Unterschied. Sie sagten aber: heute nicht zustimmen will; es kann ja sein, dass Sie sich die Sache später doch noch überlegen, aber ich möchte die Sache doch fördern. Ich möchte deshalb einen Zusatzantrag stellen. Für den Fall, dass der Name Friedrich Ebert nicht durchkommen sollte bei der heutigen Abstimmung, möchte ich den Antrag stellen, dass die Schule den Namen August Wilhelm Schlegel bekommt.« (Zurufe).
Stadtverordneter Dr. Dr. Dietzel – SPD:
»Ich darf die Zustimmung meiner Fraktion voraussetzen, wenn ich den Antrag dahin abändere, dass der Antrag lautet: „… Unter Aufhebung des Beschlusses vom 1. März 1956 wird die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II nach Friedrich Ebert benannt“, – um dem Einwurf von Herrn Dr. Streck zu begegnen.
Dann möchte ich noch folgendes sagen: Schon in der Schulausschusssitzung vom 20. Mai 1957 ist hingewiesen worden auf diesen Streit zwischen dem Kultusminister und dem Städtetag. Wenn wir auf dessen Ende warten wollen, können wir unter Umständen noch sehr lange warten, denn Rechtsstreite dauern manchmal noch länger als unsere Überlegungen oder die des Herrn Kultusministers. Ich würde doch vorschlagen, von einer Vertagung abzusehen.«
Stadtverordneter Reinhold – SPD:
»Herr Dr. Streck hat von dieser Stelle aus sehr oft gesagt, die Methode, Anträge zu vertagen, kann natürlich bedeuten, diesen Anträgen ein Begräbnis erster Klasse zu bereiten. Dieses im Ohre, sage ich: Wir sind in einer schwierigen Situation unserer Fraktion. Für uns ist an sich völlig klar, dass, wenn eine große Fraktion den Antrag auf Vertagung stellt, dass wir dem zustimmen. Das ist eine völlig klare Sache. Nur, in diesem Falle eben just an das denkend, was sonst Herr Dr. Streck zu sagen pflegt, würde ich, bevor wir uns entscheiden, Herrn Dr. Streck bitten, hier von diesem Platz zu erklären, in welchem Zeitraum er meint, diese Frage zur endgültigen Entscheidung bringen zu können, d. h. mit anderen Worten: Ich möchte gern von der CDU-Fraktion hören, ob das eine Vertagung ad calendas graecas ist oder ob wir eine berechtigte Hoffnung haben, in absehbarer Zeit über den Namen entscheiden zu können. Erst wenn das einigermaßen klar ist, wenn das eine Brücke ist, über die wir uns zu gehen trauen, kann die SPD-Fraktion sich entscheiden für oder gegen die Vertagung.«
Stadtverordneter Dr. Streck – CDU:
»Ich bin nach einem Termin gefragt. Bedauerlicherweise – und das haben wir heute mehrfach bedauern müssen – liegt es nicht in unserer Hand, diesen Termin zu bestimmen, sondern leider eben in der Hand des langsam arbeitenden Kultusministers. Der Kultusminister sollte dieses Gespräch mit dem Städtetag entweder beenden oder nicht. Nun vermute ich, dass dieses schriftlich geführte und allen Städten immer hektographiert mitgeteilte Gespräch in Zusammenhang steht mit dem Schulverwaltungsgesetz. Denn es handelt sich ja im Grunde um die Kernfrage: Ist die Schulbenennung eine Sache der inneren Schulaufsicht oder der äußeren Schulaufsicht. Die äußere Schulaufsicht ist Sache der Städte und die innere des Landes, und diese Trennung von innerer und äußerer Schulaufsicht wird im Schulverwaltungsgesetz geregelt. Die logische Suche nach dem Termin müsste also bei dem Punkt enden, wann ist das Schulverwaltungsgesetz soweit? (Zurufe) – Ja, darauf sehen Sie, dass man also eine Möglichkeit hätte, den Termin zu bestimmen. Ich will mich gar nicht gegen die Terminierung wenden, es gibt noch eine andere Möglichkeit, nämlich, um die Langsamkeit in dieser Frage abzuwenden, ein Gutachten von der Stadt aus zu dieser Frage anzufordern – (Zuruf Stadtverordneter Grunwald – CDU: „Verwaltungsstreitverfahren!“) – Und aufgrund dieses Gutachtens die Entscheidung zu fällen. Oder die dritte Möglichkeit – aber ich glaube nicht, dass in diesem Rat sich die Mehrheit dazu findet, aber es wäre der schnellste Weg –: Gegen den Kultusminister den Streit zu verkünden, und dann soll im Verwaltungsgericht entschieden werden, ob der Kultusminister unseren Beschluss aufheben durfte oder nicht.«
Stadtverordneter Reinhold – SPD:
»Aus dieser Erklärung von Herrn Dr. Streck ist zu schließen, dass die Entscheidung über diese Frage dem unerfreulichen Ratschluss einer von uns nicht zu beeinflussenden Behörde gegeben ist. Er hat uns nicht gesagt, was die CDU-Fraktion davon denkt, und in welcher Weise die CDU-Fraktion diese Beratung limitieren will. Das ist für uns eine neue Sachlage. Wir haben darauf gehofft, dass die CDU-Fraktion als Fraktion Stellung nehmen würde zu dieser Frage. Wir bitten deshalb jetzt um eine Pause von 10 Minuten, um in unserer Fraktion darüber zu sprechen, wie wir uns entscheiden sollen.«
Die Sitzung wird von 17:30 bis 17:55 Uhr unterbrochen.
Stadtverordneter Reinhold – SPD:
»Die SPD-Fraktion anerkennt, dass der Brückenbauversuch mit dem Vertagungsantrag und Erklärung von Herrn Dr. Streck mit liebender Hand unternommen worden ist, aber unsere Fraktion meint, dass diese Brücke nicht stark genug ist, um eine 15 Mann schwere Fraktion zu tragen. Wir sind deshalb der Meinung, dass wir dem Vertagungsantrag nicht zustimmen sollten«
Stadtverordneter Dr. Streck – CDU:
»Wir haben auch die Gelegenheit genutzt, uns über die uns gestellte Frage nach dem Termin zu unterhalten. Uns ist trotz größter Bemühungen kein Termin eingefallen, den wir Ihnen nennen können, denn er liegt ja tatsächlich in der Hand des Ministers. Wir sind aber bereit, die Sache auf die Waage der heutigen Abstimmungsentscheidung zu legen. Ich kann jetzt schon in Aussicht stellen, dass wir zwar bei unserem Vertagungsantrag bleiben, dass, wenn dieser aber abgelehnt wird, bei uns die Abstimmung freigegeben wird und jeder nach seinem besten Gewissen entscheiden wird.«
Der Vertagungsantrag wird mit 21 gegen 20 Stimmen abgelehnt.
Stadtverordneter Reinhold – SPD:
»Damit steht der Antrag der SPD-Fraktion zur Abstimmung, und es versteht sich, dass er genommen werden soll mit der Abänderung im ersten Absatz, dass der Name Friedrich Ebert unter Aufhebung des alten Ratsbeschlusses zu erfolgen hat. Sie wissen doch, dass dann zwei Anträge zur Abstimmung stehen, der Antrag der FDP, wenn dieser Antrag Friedrich Ebert abgelehnt werden sollte.«
Beschluss: (gegen zwei Stimmen bei fünf Enthaltungen).
Der Rat beschließt: Die Ernst-Moritz-Arndt-Schule II erhält unter Aufhebung des Beschlusses des Rates vom 1.3.1956 den Namen „Friedrich-Ebert-Schule“.